Ende eines Idylls: Ein Besuch auf dem Bahnhof Diebsteich

xDiebsteich1p070718Kurz vor dem Bahnhof Diebsteich ein einfahrender S-Bahnzug der S21 mit den Triebzügen 472/473. Im Hintergrund die alles überquerende Holstenkampstraßenbrücke und links neben der S-Bahn ein Überwerfungsbauwerk, der die Züge aus dem Norden über die Langenfelder- und Verbindungsbahn-Gleise in den westlichen Teil des Altonaer Kopfbahnhofes führt. Im Vordergrund eine Brücke über dem alten Posttrog für ein ehemaliges Anschlußgleis vom  ehem.Postbahnhof nach Langenfelde.

[15. Juli 2018] Seit Jahren wird geplant, den Hamburger Fernbahnhof Altona von seinem bisherigen Standort als Kopfbahnhof in den Norden von Altona an den Diebsteich zu verlegen. Grund genug, vor den in Kürze beginnenden Bauarbeiten die kleine S-Bahn-Station Diebsteich noch einmal zu besuchen.

Der seit 1898 bestehende achtgleisige Fernbahnhof (der bis zur Eingemeindung nach Hamburg am 1.4.1938 durch das „Groß-Hamburg-Gesetz“ „Altona Hauptbahnhof“ hieß) mit seinen drei bis zur Eröffnung der City-S-Bahn zusätzlichen Gleisen für die einstige „Hamburg-Altonaer Stadt- und Vorortbahn“ sowie das insgesamt 17 Hektar große Umfeld sollen der Wohnbebauung weichen, bei der in der „Neuen Mitte Altona“ 3.600 Wohnungen entstehen.
Nach Aussagen der Deutschen Bahn AG wird der neue Fernbahnhof mit seinen sechs Durchgangsgleisen zudem betrieblich besser geeignet sein. Nähere Informationen zum neuen Bahnhofsprojekt gibt es unter anderem unter diesem Link. xDiebsteich2p070718Der östliche Zugang zum S-Bahnhof an der „Großen Bahnstraße“ inmitten der urbanen Idylle.

xDiebsteich3p070718Derselbe Zugang, Blickrichtung Norden.

xDiebsteich4p070718Gleich gegenüber liegt das Werksgelände von ThyssenKrupp Schulte, dessen Areal die Stadt Hamburg kürzlich gekauft hat. Es sollen Wohnungen gebaut werden.

xDiebsteich5p070718Früher gab man auch den banalsten Brückenbauwerken auch Namensschilder – so auch der Diebsteichbrücke.

Realisiert werden soll der neue Bahnhof an der Stelle des heutigen S-Bahnhofs Diebsteich. Diese Station wurde im Zusammenhang mit dem Bau der S-Bahnstrecke von Holstenstraße nach Pinneberg eingerichtet. Der erste Abschnitt Holstenstraße – Diebsteich – Langenfelde wurde am 26. September 1962 eröffnet, wobei dieser zunächst nur eingleisig befahrbar war. Die Strecke wurde am 26. Mai 1965 bis Elbgaustraße verlängert, die Gesamtstrecke nach Pinneberg schließlich am 22. September 1967 eröffnet.
Von Diebsteich wurde später eine (am 31.5.1981 eröffnete) Verbindungsstrecke zum Bahnhof Hamburg-Altona geschaffen, die eine weitere Überwerfung über die Fernverkehrsgleise notwendig machte. Für die Weichen- und Signalanlagen zur Verbindungsbahn und zum Bahnhof Altona sowie zum Postbahnhof Altona wurde das Gebäude am Bahnhof Diebsteich mit einem Aufbau für ein Stellwerk versehen. Dieses Stellwerk mit der Kennung "Lp" (Langenfelde Postbahnhof) wurde mit Aufgabe des Postbahnhofs stillgelegt. Die in östlicher Richtung vorhandene Kanzel wurde mit Holzplatten verschlossen und ragt noch heute auf das Gelände des ehemaligen Postbahnhofs, wo anstelle der Gleisanlagen nun Autos parken.
Der Postbahnhof Altona entstand in den sechziger Jahren auf dem Gelände des ehemaligen AKN-Bahnhofs am Kaltenkirchener Platz unmittelbar am Bahnhof Diebsteich. Für die Übergabe zum und vom Betriebswagenwerk Langenfelde führt ein langer zweigleisiger Betontrog zum Postbahnhof, der auch die S-Bahngleise unterquert. Heute ist es ein richtiges Biotop, aber nicht der Namensgeber Diebsteich. Dieser geht vermutlich auf die plattdeutsche Bezeichnung für „tiefer See“ zurück und bezieht sich auf einen heute verschwundenen Teich, der östlich der Haltestelle lag.

xDiebsteich6p070718Auf der Diebsteichbrücke hat man einen guten Blick auf den nordwärts führenen „Posttrog“ neben der S-Bahn. Man könnte meinen, Krokodile darin schwimmen zu sehen.

xDiebsteich7p070718Der Blick von der Brücke auf den höherliegenden S-Bahnsteig, wo sich gerade zwei Züge der S21 und S3 treffen – linkerhands sogar mit den neuen Triebzügen der Baureihe 490.

xDiebsteich8p070718 Blickrichtung Süden, hier war das Gleisvorfeld des großen Postbahnhofes und rechts hinten am S-Bahnhof das ehemalige Stellwerk Lp. Einst bollerten die V65 hier hin und her.

xDiebsteich9p070718Der Zugang von der Plöner Straße mit dem Blick zum „Empfangsgebäude“ des S-Bahnhofes. Oben thront das Stellwerk mit seiner markanten Kanzel und „biickt“ seit 1997 nur noch auf den angrenzenden Parkplatz und die gelben Straßentransporter eines großen Brief- und Paketunternehmens, das hier auch weiterhin präsent ist.

xDiebsteich10p070718 Einen „DB Store“ gibt es immerhin dort. Der Zugang zum S-Bahnsteig ist nicht barrierefrei, keine Rolltreppe bzw. keinen Fahrstuhl – sondern nur eine einfache Treppe.

Den einst regen Rangierbetrieb im Postbahnhof erledigten anfangs immer bis zu drei Altonaer V65 und nach ihrem Abgang dann die V60. Auch dort wurden reine Postzüge und Post-InterCitys (PIC) behandelt und gebildet, die mit bis zu 200 km/h im Nachtsprung alle Ballungszentren Deutschlands bedienten. 1997 meinte die Deutsche Post, auf die Bahnpost verzichten zu können und legte alle Postbahnhöfe in Deutschland still. Auch der relativ moderne Postbahnhof am Diebsteich war davon betroffen, die Gleisanlagen wurden abgebaut, das Stellwerk stillgelegt und die Übergabegleise im Betontrog durch einen Erdwall blockiert. Seitdem tobt sich die Mutter Natur in diesem „biotopischen Kanal“ aus – die Gleise liegen noch, auch die ganze Elektrik – an der Zufahrt in Langenfelde leuchtet ein Einfahrsignal seit Jahrzehnten Dauerrot, sein Mast steckt metertief im Wasser und die Oberleitung führt durch jede Menge Bäume und Gestrüpp.

1981 wurde die Verbindungskurve vom im Zuge des City-S-Bahnbaus tiefergelegten und viergleisigen S-Bahnhof Altona in Betrieb genommen, damit die Pinneberger S-Bahnen nun direkt in die südliche Innenstadt fahren können. Davor fuhr die S2 von Aumühle / Bergedorf via Hbf / Holstenstraße und Diebsteich nach Elbgaustraße / Pinneberg. Nun fuhren die S2-Züge dann auch wie die S1 durch den neuen City-S-Bahntunnel. 1984 mit der neuen S-Bahnlinie nach Harburg änderte sich dann nochmals die Linienführung. Seitdem passieren die S3-Züge von inzwischen Stade / Neugraben – Altona – Pinneberg und die Züge der S21 Aumühle – Holstenstraße – Elbgaustraße den Bahnhof Diebsteich. In den Morgenstunden an Werktagen fahren auch einzelne AKN-Züge der A1 von Kaltenkirchen im Hybrid-Betrieb durch bis zum Hamburger Hbf (die dieselelektrischen VTA haben Stromabnehmer der S-Bahn und können von Eidelstedt bis zum Hauptbahnhof elektrisch „mitschwimmen“).

 xDiebsteich11p070718Der S-Bahnsteig in Blickrichtung Norden. Rechterhand der ehemalige Postbahnhof und linkerhand neben dem dichten Grünzeug die Fernbahngleise.

xDiebsteich12p070718Ein neuer Triebzug der Baureihe 490 auf der Linie S21 fährt ein, die Personale werden geschult. Der Planbetrieb soll erst im Dezember dieses Jahres mit bis zu 60 dreiteiligen Einheiten losgehen.

xDiebsteich13p070718Ein Drittel des Bahnsteigs ist überdacht.

 xDiebsteich14p070718Der westliche Zugang führt durch den niedrigen und engen gruseligen Diebsteichtunnel unter den Fernbahngleisen von der Straße „Am Diebsteich“.

xDiebsteich15p070718Die Läden haben alle schon dicht gemacht – Buena Vista und alle anderen haben trotz zahlreicher Proteste ausgedient.

In diesem Sommer sollen die großen Bauarbeiten für den neuen Altonaer Fernbahnhof beginnen. Die Baustraßen werden schon angelegt, wobei schon einige Kleingärten und andere Grundstücke nun einer neuen Nutzung zugeführt werden. Der überflutete Posttrog soll noch leergepumpt werden, um ihn ebenfalls als Baustraße nutzen zu können.

Die ganze Umgebung des Bahnhofes wird sich gewaltig verändern – noch sind die Zugänge „urban idyllisch“. Auf der Ostseite wird das neue Empfangsgebäude des Fernbahnhofes entstehen, ein preisgekrönter Entwurf eines dänischen Architektenbüros sieht schon sehr vielversprechend aus, mit einem hohem Eingang, einem begrüntem Dach und viel Glas. Es soll Offenheit symbolisieren. Nach Aussage der Bauherren soll der neue Bahnhof 2023 fertiggestellt sein. Näheres gibt es unter diesem Link zu sehen.

xDiebsteich16p070718Auch von diesen Triebzügen der Baureihen 472 / 473 müssen wir uns endgültig Abschied nehmen - übrigens die letzten reinen Gleichstromzüge ohne Drehstromantrieb. Vorne ein Kilometerstein, zeigt die Entfernung zum alten Bahnhof Altona an.

xDiebsteich17p070718Nur im Hochsommer Abends kann man die S-Bahnen vom Süden in den Bahnhof Diebsteich einfahrend fotografieren. Einfahrende S21 von der Holstenstraße kommend. Rechts daneben das Verbindungsbauwerk zum Bahnhof Altona für die S3 und der denkmalgeschützte Wasserturm vom einstigen legendären Bahnbetriebswerk Altona mit seiner Doppeldrehscheibe.

Und nebenbei bemerkt: Für die heutigen „Altbauzüge“ der Hamburger S-Bahn, die von 1974 bis 1984 gebauten Baureihen 472 / 473, schlagen inzwischen auch die letzten Stunden und so wird es für sie voraussichtlich der letzte Sommer sein, den sie noch erleben.

 Text und Fotos: Erik Körschenhausen

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