20 Jahre im Einsatz in und um Hamburg: Die Baureihe 474

xDB471p2ohlsdorf0895Mehr als 60 Jahre bildeten die Triebzüge der Baureihe 471/871 das Rückgrat der Hamburger Gleichstrom-S-Bahn. Einsetzender Vollzug aus zwei 471 mit Jägermeister-Werbung auf der Berufsverkehrslinie S11 von Ohlsdorf nach Blankenese.

xDB474OhlsdorfErsteLackierungDie ersten 8 Züge wurden in dieser U-Bahnlackierung (vom DT4 abgeleitet) lackiert, aber nur 5 sind nach Hamburg gekommen und bei der 6. Einheit wurde die Lieferung gestoppt und die folgenden Züge in dem heutigen DB Regio-Rot ausgeliefert. Die schon gelieferten Züge wurden schnellstmöglich nach Salzgitter zwecks Umlackierung zurückgeschickt. Foto: Jan Borchers

In den späten 80er Jahren wurde es klar, dass die Hamburger S-Bahn dringend eine neue Generation als Ersatz für den schon sehr stark veralteten Triebfahrzeugpark, der aus schon fast über 60 Jahre im Einsatz stehende Baureihe 471 (ehemals ET 171) und deren Nachfolgerin der Baureihe 470 (ex. ET 170) bestand, brauchte.

xDB474000Oelweiche1pAug1997Im August 1997 wurden die ersten 474 in den Fahrgasteinsatz auf der S1 eingefädelt. Noch mit dem roten S-Bahnlogo versehen, passiert ein jungfräulicher 474-Vollzug den ehemaligen Güterbahnhof Rissen-Ölweiche kurz vor Wedel.

Daher forcierte die damalige Deutsche Bundesbahn als Betreiber der Hamburger Gleichstrom-S-Bahn die Entwicklung der neuen Baureihe 474 (anfangs als „Projekt ET 490“ geplant) und vergab 1994 den Auftrag an den „Hauslieferanten“ Linke-Hofmann-Busch (LHB) in Salzgitter als Kosortialführer (verantwortlich für den Mechanteil) und der damaligen ABB Henschel AG (Elektro- und Leittechnik) in Form von 45 dreiteiligen Einheiten.

xDB474137u131Altona261012Beide aktuellen S-Bahnbaureihen auf einem Blick in Altona. Ein- und ausfahrende 474 der S3 und S31 passieren abgestellte 472/473 der HVZ-Linien S2 und S11.

Die ersten drei Triebzüge verließen 1996 die Werkshallen der LHB in Salzgitter. Ein Novum war auch die Lackierung dieser Züge in den Farben der Hamburger U-Bahnbaureihe DT4 in weiß/hellgrau mit roten und dunkelgrauen Absetzstreifen. Hamburg wollte eine einheitliche Lackierung für ihre Schnellbahnen einführen, was aber nach dem sechsten Zug schnellstens gestoppt wurde. Es paßte dem damaligen Bahnchef Heinz Dürr nicht und so sollten die Züge in den damals neuen Regio-Farben Rot mit weißen Türen und Streifen lackiert und ausgeliefert werden, was auch geschah. Die ersten acht Züge (laut LHB) in der U-Bahnlackierung wurden wieder schnell nach Salzgitter überführt, zwecks Umlackierung in die Regio-Farben.

xDB474106u104u043Hausbruch150710Zwei 474 machten eine zeitlang Werbung für eine große Bauausstellung in Hamburg. Hier rauschen beide Einheiten vereint mit einer dritten roten Einheit als Langzug nach Stade, wobei die dritte Einheit nur bis Neugraben mitläuft.

Zur Zeit der Auslieferung und Testfahrten der ersten Triebzüge 1996 in Hamburg wurde eine zweite Serie mit 58 Einheiten bestellt. Somit sind dann 103 Einheiten für die Hamburger S-Bahn bestimmt, eine enorme Stückzahl für die Hamburger S-Bahn.

Bei den Testfahrten stellte man zu starke Fahrzeugkastenvibrationen ab einer bestimmten Höchstgeschwindigkeit, schwere Türstörungen, Lüftungsproblemen und häufige Motorenausfälle fest – die dann zu einem Lieferstopp der neuen Züge führte. Diese Probleme tauchten auch nur auf, weil für die Baureihe 474 keine Prototypen gebaut wurden, um diese Kinderkrankheiten auszumerzen. 1998 bekam man diese Probleme mittels umgebauter Federpakete (dieselben wie die der Baureihe 423) in den Griff und so konnte der Lieferstopp aufgehoben werden.

 

xDB474047u051Blankenese3p130611Zwei Vollzüge der S1 im mittlerweile komplett zugebauten Kopfbahnhof Blankenese. Der hintere Zug bestand aus den Werbezügen „Grünes Hamburg“ und „HSV Handball – Deutscher Meister“.

Mit dem 474 / 874 (der antriebslose Mittelwagen, der ursprünglich nach Hamburger Gepflogenheiten die erste Klasse führte, wird als Baureihe 874 geführt) wurde die bisherige Betriebsmethode verlassen, dass alle Triebzugbaureihen untereinander mechanisch und elektrisch kuppelbar sind. Bisher konnten die „Altbauzüge“ 471 und 470 mit den Zügen der 472/473 (62 Triebzüge der Nachfolgebaureihe aus den 70er/80er Jahren) gekuppelt und gefahren werden. Zum Beispiel fuhren auf den schnellen Linien S21 und S3 die 470 in gemischter Traktion mit den 472/473 bis zu drei Einheiten als Langzüge. Die BR 474 konnte und durfte nicht mit den älteren Zügen gekuppelt und gefahren werden, nur mittels einer mechanischen Adapterkupplung ist es möglich, liegengebliebene Züge ab- bzw. wegzuschleppen - ohne Fahrgäste wohlgemerkt.

xDB474018u032u013BerlinerTor1p071115Ein- und ausfahrende 474-Vollzüge auf der Linie S1 am Verkehrsknoten Berliner Tor.

Technisch sind bis zu drei Einheiten der BR 474 zu einem Langzug kuppelbar, was auch häufig im Berufsverkehr auf der stark belasteten Harburger S-Bahnlinie S3 praktiziert wird.

xDB474034Hauptbahnhof5p111213Auch von der Vollwerbung werden die 474 nicht verschont. Dieser Triebzug 474 034 trug nur eine kurze Zeit Vollwerbung für das fünfjährige Bestehen der Hamburger Flughafen-S-Bahn. Hier beim Verlassen des Hamburger Hauptbahnhof nach einer Präsentationsfahrt.

Kurz vor der Jahrtausendwende wurde beschlossen, die Harburger S-Bahn bis nach Stade zu verlängern und zwar im Wechselstrombetrieb auf den Fernbahngleisen. Nach dem ersten Wechselstrombetrieb mit Oberleitung auf der einstigen Hamburg-Altonaer Stadt- und Vorortbahn – der Keimzelle der Hamburger S-Bahn – was 1955 eingestellt wurde und folglichem reinrassigem Gleichstrombetrieb per dritter Schiene neben dem Gleis. sollte dann wieder eine Wechselstrom-S-Bahn in Hamburg fahren.

xDB474112u128GrosserMoorweg2p140412Regulär sind bis jetzt die Zweisystemzüge nur auf dem Stader Ast im Wechselstrombetrieb zu sehen, wie hier bei Neu Wulmstorf.

xDB474137Dollern3p010815… oder in Dollern beim Passieren des ehemaligen Bahnhofsgebäudes.

Anstatt eine neue Baureihe zu entwickeln wurden 2006 und 2007 einige Züge der BR 474 zu Zweisystemzügen umgebaut (33 Einheiten) bzw. neugebaut (9 Einheiten), die fortan als 474.3 geführt wurden. Deren Mitelwagen bekamen die Wechselstromausrüstung wie einem Transformator, weitere Elektrik und einem versenkbaren Dachstromabnehmer. Da dadurch das Gewicht des Mittelwagens steigerte, mussten auch neue Laufdrehgestelle gebaut werden, die auch einen einheitlichen Raddurchmesser und Scheibenbremsen wie die Triebdrehgestelle der beiden Endwagen erhielten. Bisher wiesen die bremslosen (!) Laufdrehgestelle kleinere Räder – was man an den nicht umgebauten Einsystemzügen gut erkennen kann. Mit diesen Zügen wird die S3 seit Dezember 2007 bis Stade gefahren.

xDB474528u609Suederelbbr1p020109Im gefühlten Minutentakt donnern die 474 auf den Linien S3 und S31 über die imposanten Elbbrücken. Zwei Vollzüge begegnen sich auf den Süderelbbrücken.

Um 2013 wurde das Projekt „ET 474 Plus“ vorgestellt. Der modernisierte Prototyp wies erstmals für die Hamburger S-Bahn einen komplett durchgängigen dreiteiligen Zug. Neben der Erneuerung der kompletten Elektrik und weiteren Teilen war auch die Klimaanlage ein wichtiger Punkt. Da aber dieser Zug durch die neue Klimaanlagen viel zu schwer wurde musste eine neue Zulassung dieser Züge angestrebt werden, aus Zeit- und Kostengründen wurde es fallengelassen und so wurde der erste modernisierte Triebzug ohne Klimaanlagen in Betrieb genommen. Der Serienumbau aller 111 Triebzüge läuft seit Februar 2016 auf vollen Touren. Monatlich werden eins bis zwei Triebzüge erneuert.

Ab 2016/2017 wird dann eine Nachfolgebaureihe 490 auf den Hamburger S-Bahngleisen erscheinen. Vorerst sind 60 Einheiten in Ein- und Zweisystemausführung für die geplanten S-Bahnstrecken nach Ahrensburg und Kaltenkirchen bestellt. Mit denen soll auch die Baureihe 472/473, die noch mit 52 Einheiten einen Großteil des Betriebes aufrechterhält, abgelöst werden.

Text/Aufnahmen: Erik Körschenhausen

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